Skulpturenlandschaft, 2007

Vorwort zum Katalog "Skulpturenlandschaft 2007" von Michael Flatau

Der 2004 gegründete Verein für neue Kunst TOP.OS e.V. ist als Initiative von in der Region Os­na­brück lebenden Künstlern entstanden, um anspruchsvolle Kunstprojekte im öffentlichen Raum zu initiieren. Nach „fifty fifty“, einer Ausstellung im ehemaligen Brinkmannhaus (2004), und der Installation „Edenfragmente“ des Berliner Künstlers Peter Möller im „Ort für Außenskulptur“ (TOP.OS-Garten an der Limberger-Strasse in Osnabrück, 2006) stellt das Projekt „Skulp­turenlandschaft 2007“ das bislang umfangreichste Projekt der Grup­pe dar. 25 Künstler aus verschiedenen Teilen Deutschlands und zahlreichen eu­ro­pä­i­schen Ländern haben daran teilgenommen und damit zur bislang größten, zusammenhängend rea­li­sier­ten Kunstoffensive im öffentlichen Raum Osnabrücks beigetragen.

Das Thema lautet „sichtbares Werk – unsichtbares Werk“ und will auf das Verhältnis des modernen Menschen zur Natur weisen. Die Skulpturenlandschaft Osnabrück setzt Zeichen für einen nachhaltigen zukunftsorientierten Umgang mit der Natur und geht durch seine Verzahnung von Kunst und Umweltbildung über ein reines Kunstprojekt hinaus.

Die künstlerische Beschäftigung mit der Natur hat eine lange Tradition. Ihre Geschichte ist so alt wie die Geschichte der Menschheit selbst. Sie spiegelt zu allen Zeiten das menschliche Ver­hältnis zur Natur. Während in mythischer Vorzeit die Natur über Kultbilder verehrt und beschwichtigt wurde, ver­änderte in der Antike die Frage nach dem Ursprung allen Seins das menschliche Verhältnis zur Natur. In dieser Befragung der Natur durch den Logos wurde „Natur“ zum Objekt der Be­trach­tung. Der Mensch nahm sich aus der Natur heraus, definierte sich über seine Distanz.

Für den griechischen Philosophen Aristoteles war Natur dasjenige, was sich von sich aus be­wegt, was das Prinzip seiner Bewegung in sich trägt. Er stellte der Natur (griech.: physis) die Kunst im weiteren Sinne (griech.: techné) gegenüber, die das vom Menschen Gestaltete be­zeich­net. Augen­fäl­lig wurde ihm der Gegensatz im Beispiel des Weidenholzes, aus dem man mit hand­werk­licher Kunstfertigkeit ohne weiteres ein Bett zimmern kann. Aus innerer Kraft entwächst aus diesem Bett kein weiteres Bett. Denn setzt man das Weidenholz in die Erde, so wird daraus allein ein neuer Weidenbaum.

Die nicht immer nützlichen Dichotomien von Natur und Kunst, Natur und Kultur, Natur und Tech­nik bestim­men bis heute unser Naturverständnis. Erst die allgemeine Aufbruch­stimmung in den 60er Jahren und das Bewusstsein über die unsere Lebensräume bedrohende Zer­störung von „Umwelt“ führten dazu, dass gewisse Spielformen der Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahr­hun­derts zunehmend selbst in die Natur „geflohen“ sind, um über Aktionen und Eingriffe Naturerfahrung zu ver­mitteln.

Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, hat sich an der Aktualität dieser Überlegungen nichts ge­ändert. Man kann durchaus in einigen ephemeren, den Zersetzungskräften der Natur aus­ge­setz­ten Wer­ken der „Skulp­tu­ren­landschaft“ Reminiszenzen daran erkennen. Die künst­leri­schen Ausdrucks­formen gehen allerdings über die in den 60er Jahren ent­standene „Land­art“ hi­naus. Auch dies zeigt die Osnabrücker „Skulp­tu­ren­landschaft“. So finden wir hier ne­ben Na­tur­kunst im eigent­lichen Sinne auch anders gelagerte Inter­ven­tionen und In­stalla­tionen sowie Vi­deo­arbei­ten und Per­for­man­ces. Ein überwiegender Teil der Arbeiten der Skulpturenlandschaft befindet sich im ‚Naturraum‘ der Kulturlandschaft des westlichen Stadtgebietes von Osnabrück: in den Nah­er­holungs­ge­bie­ten Rubbenbruchsee und Heger Holz sowie auf dem Westerberg und seinem Botanischen Gar­ten, der sich gleich einer grünen Zunge bis fast in die Innenstadt hineinzieht. Ex­terne Standorte gibt es auf dem Piesberg, in der Artbox der Kunsthalle Dominikanerkirche und am Schö­ler­berg mit dem Museum Natur und Umwelt sowie dem zoologischen Garten.

Mit diesen Sites im Freien wird – um die Terminologie Robert Simithsons zu bedienen – ein weiteres Anliegen der „Skulp­tu­ren­landschaft“ verwirklicht. Menschen, die sich bislang kaum mit zeitgenössischer Kunst beschäftigt oder Museen und Galerien aus Scheu vor dem vermeintlichen Elitismus des Kunstbetriebes gemieden haben, verlieren Berührungsängste, indem sie der Kunst an überraschenden Orten begegnen, an Orten, die für sie selbst­ver­ständ­lich als Räume der Erholung und Ent­spannung gelten. So kann Rekreation mitten hinein in spontane Auseinandersetzung mit Kunst führen und umgekehrt Kunst als Möglichkeit geisti­ger Rekreation erfahrbar werden.

Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem sogenannten Hof Münster­jo­hann zu, einem ehemaligen Bauernhof in der Nähe des Rubbenbruchsees. Er fungiert ge­wisser­maßen als Zen­trum der „Skulp­tu­ren­landschaft“ sowie als Veranstaltungs- und Kunst­ort mit Hof­café an den Wochen­enden. Im Hofcafé kann man sich nicht nur in entspannter At­mos­phä­re über das Projekt informieren, es dient auch als zentraler Start- und Zielpunkt für die regel­mäßig stattfindenden Führungen. Veranstaltungen wie Vorträge, Seminare, Fest­lich­kei­ten sowie Film- und Konzertabende runden das Bild dieses Ortes ab.

Im Namen von TOP.OS möchte ich danken für die Kooperationen mit dem Museum für Natur und Umwelt, der Kunsthalle Dominikanerkirche und dem Botanischen Garten der Universität Osnabrück.

Die Skulpturenlandschaft Osnabrück konnte nur durch die Unterstützung von Firmen und Institutionen, allen voran der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, aber auch der Lottostiftung, der OLB Stiftung dem Landschaftsverband Osnabrücker Land e.V., der Stadt Osnabrück und der Heger Laischaft, der Bürgerstiftung und zahlreichen in der Region ansässigen Firmen verwirklicht werden.