Eva Preckwinkel

Trimm-Dich-Pfad

Mal ehrlich: der gute alte Trimm-Dich-Pfad ist doch längst vollkommen out! Heute wird doch eher gejoggt, Nordic gewalkt, gestretcht und gedehnt statt getrimmt! Ist der Hang zum Nostalgischen für diesen Titel verantwortlich, oder doch die typisch Preckwinkelsche künstlerische Augenzwinkerei? Auf jeden Fall versprechen Eva Preckwinkels liebevoll ironische Seitenhiebe auf deutsche Alltagskultur und Kunstverständnis einen unterhaltsamen Weg durchs Heger Holz zum Rubbenbruchsee – genau entlang meiner gewohnten Walking-Strecke, welch ein schöner Zufall! Da kann ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, und schon geht es mit Sportzeug und Laufschuhen los zum gesundheitsbewussten und Fitness-fördernden Kunstgenuss.

Gleich rechts, als bemalte Cut-Outs zwischen zwei Bäumen aufgehängt, erwartet mich die erste Überraschung: Synchronschwimmerinnen im perfekten Bogen zueinander. Bis zum See ist es doch noch weit, und nach Freizeitsport sieht das Ganze auch nicht aus! Kurz darauf sehe ich hinter einem liegenden Baumstamm einen Hürdenläufer in mächtigem Sprung genau in meine Richtung. Schon der zweite Hochleistungssportler. Ich fürchte, so wie der kann ich nicht durch den Wald jagen. Das lässt meine Kondition gar nicht zu, und nebenbei Kunst betrachten wäre auch nicht drin.

Ungewöhnlich bei einem Kunstprojekt in der Natur, zeigt Eva Preckwinkel Malerei. Für ihren Trimm-Dich-Pfad verwendet sie Abbildungen von Sportlern aus Zeitungen und Zeitschriften, die sie mit Hilfe eines Episkopes als Skizze auf ihren Malgrund – in diesem Falle grundierte Siebdruckplatten – überträgt, wobei sie gleichzeitig Tontrennungen vornimmt, also die Plastizität des Gegenstandes oder Sportlers zunächst nur grob als unterschiedliche Graustufen skizziert. Dann schneidet sie die Motive entlang ihres Umrisses aus, bevor ihre eigentliche Leidenschaft beginnt. Malerei als Umgang mit Farbe und Form ist für die Künstlerin ein disziplinierter Akt höchster Konzentration, der geradezu meditativen Charakter annehmen kann. Die Ergebnisse changieren zwischen realistischer Darstellung und poppiger Komposition. Dabei interessieren die Künstlerin die Sportler nicht als jeweils ein bestimmter oder als solcher, sondern eher wegen ihrer oft künstlichen, weit ausholenden oder theatralischen Posen, die als Ausschnitt „herrlich komisch“ aussehen können, und gleichzeitig für die Malerin eine Herausforderung darstellen.

Extrem verkürzt durch die Perspektive, erscheinen die Beine der Turnerin auf dem Schwebebalken durch die Malweise doch wieder räumlich. Kaum nehme ich vor dem laubigen Hintergrund wahr, dass ihr ausgeschnittener Körper tatsächlich doch nur eine platte Scheibe ist. Auch der besiegte Sumo-Ringer liegt schwer und rund allein auf seiner einsamen Matte aus Zweigen. Aber wenigstens schwebt er dabei ein wenig in der Luft, ganz im Gegensatz zum fliegenden Skispringer – in seinem Helm spiegelt sich die Piste, die er bezwingen will –, der geduckt und gedrungen im Untergrund feststeckt. So abgestellt im Wald, herausgerissen aus ihrem eigentlichen Umfeld, regelrecht ausgeschnitten, wirken die Sportler und ihre Aktionen anachronistisch, und die Signalwirkung ihrer leuchtenden Farbigkeit betont noch ihre Künstlichkeit in dieser idyllischen Umgebung. Wobei ich zugeben muss, dass auch meine eigene Bekleidung und der Dress der mir entgegenkommenden Joggerinnen aus der gleichen Farbpalette zu kommen scheint.

Erst beim Turner, der mit seinem Spagat eine Schneise überbrückt, während sein gerade erhobener Arm eine Parallele zu einem Baum am Ende dieser Schneise bildet, wird mir klar, mit welcher Raffinesse die Künstlerin ihre Figuren platziert hat. Rückblickend erkenne ich die formalen und inhaltlichen Entsprechungen, die dafür sorgen, dass die Cut-Outs mit der sie umgebenden Natur zu einem neuen Bild verschmelzen: Leistungssport im deutschen Wald. Mein unschuldiges Freizeitvergnügen wird hier konterkariert.

Der See wird schon blau schimmernd sichtbar, als ich rechts auf einer Lichtung den Schwimmer gewahre, die letzte Station des Trimm-Dich-Pfades. Seine Siegerpose erinnert mich daran, worum es beim Sport wirklich geht: ums Gewinnen, um die beste Zeit, um die höchsten Punkte. Doch bei mir ist heute eindeutig der Weg das Ziel. Und um das zu erreichen, brauche ich auch mit Sicherheit kein Doping.

Text: Regina Böker