Cornelia Konrads

Passage

Das unbekannte Leitbild

Der Weg durch das Heger Holz führt nicht direkt zu dem Kunstwerk von Cornelia Konrads, er führt daran vorbei. Einen Steinwurf abseits des Weges kann man die Passage sehen, den Durchgang, der sich aus Zweigen und wenigen anderen Hilfsmaterialien zusammensetzt. Die Zweige scheinen, von weitem gesehen, zu schweben und verdichten sich dann zu einem Tor. Wie bei anderen Installationen von Konrads bleibt auch hier unklar, ob sich das Objekt auflöst oder zusammenfügt. Um nun der Aufforderung des Durchgangs zu folgen, muss man den Weg verlassen. Man geht über eine kleine Lichtung auf die Passage zu, kurz dahinter befindet sich das Dickicht des Waldes.

Es steht ein Tor da, ohne dass man so recht weiß, zu welchem Zweck es dort steht. Eine scharfe Abgrenzung bedeutet es nicht. Es ist auch möglich, daran vorbei auf die andere Seite zu gelangen. Üblicherweise sind Durchgänge auch Zeichen für den Wechsel eines sozialen Kontextes. Man betritt einen geschützten Raum und zugleich die Sphäre der Besitzerin oder des Besitzers, die es zu respektieren gilt. Dagegen scheint durch dieses Tor eine Sphäre anderer Art betreten zu werden.

Die Offenheit dieser Begrenzung, das Fehlen eines offensichtlichen Zwecks, verstärkt das Gefühl eines rituellen Durchschreitens. Das Unbekannte, das sich hier auftut, fordert die Kategorien menschlicher Erkenntnis heraus. Dass die Künstlerin die Materialien des Ortes verwendet und ihnen den Anschein eigener Energie verleiht, gibt dem Ort den Charakter eines Geschehnisses in Autogenese. Ein schwebender Zustand zwischen Naturereignis und menschlichem Artefakt. Eine Ambivalenz, die die Dichotomie zwischen Natur und Kultur auf die Probe stellt und sie zugleich bestätigt.

In unserer Position als erkennendes und handelndes Subjekt, sind wir aufgefordert, unsere Rolle zu überdenken. Die abgefallenen Zweige, nicht mehr lebender Teil eines Baumes, versammeln sich um eine Öffnung und fordern dazu auf, hindurch zu schreiten. Die Intention, die dahinter steckt, kennen wir nicht. Aber haben wir erst angefangen danach zu fragen, stellt sich ein Gefühl der Verunsicherung ein. Denn eigentlich können wir der Natur kein absichtsvolles Handeln unterstellen. So vermag es das Kunstwerk, uns in unserer gefestigten Position des Erkennens in Kategorien des Wirklichen und des Möglichen zu befragen.

Lassen wir uns darauf ein, bekommen wir eine Vorstellung davon, was abseits des Logischen sein kann. Die Dichotomie von Mensch und Natur löst dies nicht auf. Es gehört zum Wesen des Menschen, kulturell geprägt zu sein, so zu erkennen und zu handeln. Von dieser Form des Daseins führt kein Weg zurück. Die Menschheit kann aus dieser Sicht nie neutraler Bestandteil der Natur sein. Die Beziehung „zur“ und den Umgang „mit“ der Natur muss sie zuweilen neu bestimmen. Das Zweckentbundene, Phantastische, Unbewusste kann den Weg zu einem anderen Verständnis des Seins lediglich weisen. In der Praxis bedeutet dies, nicht nur andere Wege zu gehen, sondern die Bedeutung des Wegs selbst zu überdenken. Anders, als einen Durchgang zu einem Ziel, kann man die Passage als Übergang sehen. Als Übergang zu einem anderen Begreifen von Natur.

Text: Oliver Konen