Michael Flatau

Clean City

Am Ufer des Rubbenbruch-Sees, einem Naherholungsgebiet am Stadtrand Osna­brücks, trifft der Besucher auf eine Veränderung besonderer Art. Zehn besondere Abfallbehälter erregen seine Aufmerksamkeit. Wohlgeformte Behälter, runde Eimer sitzen an Halterungen entlang gewohnter Plätze an Wegen um den See. Jeder von ihnen trägt eine Aufschrift in Rot.

Ein eingeprägter kleiner Schriftzug, „Abfall“, weist auf ihre vorgesehene Bestimmung hin. In der schablonenhaften Aufschrift liest man dagegen Ungewöhnliches: „Poesie“, „Phantasie“, „Träume“, „Leben“. Man findet die Eimer in der Nähe von Orten des Verweilens, neben Parkbänken, wie gewohnt dienlich, um achtlos Weggeworfenes in geordneter Weise aufzufangen. Die Positionen sind nicht zufällig gewählt. Nachbarschaften sind darunter zu beobachten. Zwei nah beieinander stehende Behälter finden sich zu beiden Seiten einer Bank: „Hoffnungen“ und „Lieben“, an anderer Stelle „Ängste“ und „Visionen“. Ein leerer Pfosten, vor unbestimmter Zeit Träger eines anderen städtischen Exemplares, fällt auf. Er scheint verwaist. Ein Element der Inszenierung, eine Strategie der Aufdeckung.

Diese metallenen Behältnisse zielen auf immaterielle Zonen, auf persönliche Erfahrungen des Menschen, auf Emotionen und existentielle Grundfragen. Form und Fundort überraschen: nützliches Kleinmobiliar im vom Menschen genutzten Naturraum. Plastische Objekte, ansprechend im Äußeren sensibilisieren in anschaulicher Form für Ungreifbares, für Zustände. Die Kultur des Alltags teilt sich mit. „Ausgegrenzte“ und „Menschen“ zu Seiten einer Bank.

Clean City – Stadtrandlage im öffentlichen Naturraum. Die Arbeit Michael Flataus nimmt Bezug auf den sozialen Raum. Der See ist auch Ort des Aufenthalts, Treffpunkt für ‚Randgruppen‘ der Gesellschaft in der Nacht. Der künstlerische Eingriff deckt Problembereiche auf, thematisiert Freizeit, Verantwortung, Bevölkerung, Vernachlässigtes, Verleugnetes.

Kunst trifft Nutzer. Auch Neues findet sich unter dem Hinterlassenen von Besuchern/Nutzern in den Behältern. „Hoffnungen“ nahm zerrissene Liebesbriefe auf, „Visionen“ wurde zum Depot für Literaturfragmente der Philosophie. Spuren der Zerstörung zeichnen sich ab: der Behälter „Träume“ wurde tätlich angegriffen, abgetreten. Clean City rückt weniger Gesehenes, Kunst im gesellschaftlichen Raum in den Focus, verändert die Wahrnehmung des Naturraumes am Rubbenbruch-See. Flatau lenkt den Blick als Beobachter und poetischer Dramaturg aus einer neuen Perspektive auf Natur und Mensch.

 

Text: Nicola Assmann