Wolfgang Buntrock, Frank Nordiek

Zwei Bäume

„Die beiden bewahren, pflegen, umschmeicheln, tätscheln, massieren behutsam das, was sie vorfinden. Wie Hütehunde beschnüffeln sie den Platz, kratzen und wühlen bis der „Knochen“ zu Tage tritt. Der Geist des Ortes, einmal erkannt, wird zum Blühen gebracht. (…) So ätherisch und poetisch ihr Werk anmutet, so verbissen und rational kämpfen sie auch, auf den Punkt genau, den Genius Loci zu enthüllen. Die Überhöhung des Vorgefundenen wird zur Entdeckung des Geheimnisses. Entdeckung ist Aufdeckung. Auch beim Betrachter. Wie Schuppen fällt es von den Augen. Die geistreiche Interpretation offenbart das Unergründliche. (…)" (1).

„Das Vorhandene wird so lange umsorgt und umkreist, bis sich Zeichen erkennen lassen, Andeutungen eines unverwechselbaren Identischen. (...)" (1), so wurde die Vorgehens­weise des Künstlerduos Buntrock und Nordiek einmal charakterisiert.

(1)     Ulf Jonak im Vorwort zum Ausstellungskatalog „Naturskulpturen“, Berlin 2002

Auch das Werk „Zwei Bäume" entstand in einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Entstehungsort. Bei dieser Arbeit bringen die Künstler keine Materialien mit, sondern bedienen sich ausschließlich der Dinge, die sie vorfinden. Auch der weiche Draht, mit dessen Hilfe sie oft die Elemente ihrer Arbeiten fixieren, wird sich nach ein paar Monaten wieder aufgelöst haben. So wird das filigrane Geflecht aus dünnen Ästen, das sich behutsam um eine junge Buche legt in ein paar Wochen schon durch den Wind und Regen verändert erscheinen und bald ganz verschwunden sein. Natürliche Prozesse zeigen und selbst nachempfinden ist ein zentrales Motiv der Arbeiten Buntrocks und Nordieks. Die Künstler fanden ein Baumpaar im Heger Holz vor, das scheinbar sehr verschieden ist: eine hundertjährige, dicke, raue, aber gerade und hochgewachsene Eiche und eine vierzig Jahre alte Buche, glatt und neben der Eiche wie ihr kleiner Bruder wirkend. Buntrock und Nordiek nennen sie ein gleiches/ungleiches Paar, das ihnen wie hohe Säulen im Wald erscheint.

Die Ideen des Künstlerduos kommen immer aus der Landschaft, sie achten auf deren Besonderheiten, nehmen sich die Zeit und die Ruhe jeden Ort genau kennen zu lernen und sich der besonderen Ausstrahlung der Umgebung zu öffnen. Eine gefundene Besonderheit kann dann eine Idee bewirken, die sie zu ihrem Thema machen.

In dreitägiger Arbeit, schufen sie ein Geflecht aus blanken, fast weißen, Buchenstöckchen, sodass die Buche nun den Durchmesser der Eiche besitzt und sich die Bäume noch stärker miteinander verbinden. Dabei machten sie die Erfahrung, dass jedes noch so verbogene Ästchen einen bestimmten Platz in dem Gesamtgefüge einnimmt. So greift die Installation eine natürliche Begebenheit vorweg: das Wachsen der jüngeren Buche. Natürliche Prozesse scheinen auf poetische Weise mit dem Element der Zeit verbunden zu sein. Der Besucher sieht hier einen Kreislauf vor Augen geführt, eine Momentaufnahme, die verdeutlicht, wie es einmal sein könnte. Sind die einzelnen Bestandteile dann zerfallen und vom Boden aufgenommen gehen sie in das Wachstum der Buche ein, den sie einmal ummantelten.

 

Text: Katrin Tölle